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Mittwoch, 13. Juli 2011

Hochgeistige Menschenverachtung

Schade: Ausgerechnet die Wochenzeitung „Zeit“, bislang hochgeistige Delikatesse für Intellektuelle, versucht sich in Dossiers, die unterhalb der Kante eines Stammtisches liegen, etwa durch Täter-Heroisierung (damals beim Amoklauf Winnenden), Frauenfeindlichkeit (Kachelmann-Prozess) und Diffamierung mit rassistisch anmutenden Nebenwirkungen (Fall Strauss-Kahn).  
Man muss es selbst lesen, weil man es kaum glauben kann, was die journalistisch so wichtige „Zeit“ schreibt. Mit folgenden Worten wird beschrieben, wie das mutmaßlich vergewaltigte Opfer wohnt: „Die Namen an den Klingelschildern (…) lauten Noel, Gangadeen, Gomez, Borgeson. So klingen Namen von Zugezogenen und Eingewanderten. Von Taxifahrern, Verkäuferinnen, Reinigungskräften. Aber auch Namen von Drogendealern, Geldwäschern, Betrügern. Es ist der Klang der Bronx (…). Wo Legal und Illegal Wand an Wand leben.“
Damit sagt die aktuelle Ausgabe der „Zeit“, dass Zugezogene ganz unten sind. Ganz unten wie auch Taxifahrer und Reinigungskräfte. Wie Dealer und Betrüger. Und damit belegt die „Zeit“, dass das Opfer lügt. Und dass es letztlich an seiner Misshandlung selbst schuld sei. Das Opfer ist schwarz, eine Zugezogene, die ganz klar aus dem Umfeld von Betrügern komme, eine, Vorsicht Zitat, „afrikanische Asylantin, die einen Weg aus ihrer Armut sucht“. Solche Sätze würde sich noch nicht einmal ein rassistischer Kleingeist erlauben.
Das vermutliche Opfer habe also alles nur inszeniert, behauptet die angesehene Hamburger Wochenzeitung einfach mal so. Und habe alles von vorneherein geplant. Von „offenbar krimineller Energie“ spricht „Zeit“-Herausgeber Josef Joffe, um sich wenige Zeilen später gegen „schändliche Vorverurteilungen“ auszusprechen, also gegen seine eigene Glaubwürdigkeit. In einem Fall, in dem es um Lügen geht. Darum, dass bei einer jungen Frau gesammelte Märchen aus ihrer Vergangenheit zusammengetragen wurden, die nichts mit der mutmaßlichen Vergewaltigung zu tun haben – alte Lügen aus alten Kontexten, wie sie bei jedem Menschen problemlos gefunden werden können. Und darum, dass die nachweisbaren Lügen eines möglichen Täters, die unmittelbar mit dem Fall zu tun haben, plötzlich keine Bedeutung mehr haben.
Weil die betroffene Frau eben aus einem schwarzen Lügen-Milieu stammt, das die „Zeit“ so beschreibt: „Wer vor (ihrem) Haus in der Bronx steht, sieht eine dicke schwarze Frau, die sich hoch oben schimpfend aus dem Fenster lehnt.“ Selbst ein SUV, der dort mitten auf der Straße stehe, mit laufendem Motor, sei schwarz. Und die Wohnungstüren seien schwarz gestrichen.
Ganz gleich, wer wirklich lügt, ob Strauss-Kahn oder sein Opfer. Ein Opfer gehört geschützt. Den vollen Namen nennt man nicht. Die Adresse nennt man nicht. Und man berichtet neutral über etwaige Lügen beider Seiten. Nicht nur über eine Seite. Schon gar nicht ausschließlich über die mutmaßlichen Lügen eines Opfers.
Die „Zeit“ macht den mutmaßlichen Täter Dominique Strauss-Kahn zum Opfer. Der Arme musste schon als Elfjähriger ein Erdbeben in Agadir überleben. Ein Mann „mit der Ausstrahlung eines Menschen, der an das Leben glaubt“, der in Paris mit Intelligenz und Witz bezauberte. „Gutes Essen, beste Weine“ wird im selben Kontext genannt – und im selben Satz – wie „Frauen, immer wieder die Frauen“. Klingt wie ein legitimer Nachtisch, den er sich, der Genießer, einfach nehmen darf. Darf er auch, wenn es sich nicht um eine Vergewaltigung handelt.
Dass ein weiteres mutmaßliches Strauss-Kahn-Opfer den Mut findet, jetzt, in dieser Aussichtslosigkeit, auch Anzeige wegen einer versuchten Vergewaltigung gegen Strauss-Kahn zu erstatten, tut die „Zeit“ ab mit den Worten: „Stoff für Spekulationen: (…) Arbeitet Banon (die Klägerin) nicht seit Kurzem für eine Website von Sarkozy-Unterstützern?“
Eine Anmerkung sei erlaubt: Man stelle sich ein Haus vor, irgendwo in Deutschland. Die Namen an den Klingelschildern lauten di Lorenzo, Mascolo und Kalka. So klingen Namen von Zugezogenen und Eingewanderten. Von Taxifahrern, Verkäuferinnen, Reinigungskräften. Aber auch Namen von Drogendealern, Geldwäschern, Betrügern. Es ist der Klang der Bronx. Wo Legal und Illegal Wand an Wand leben. Sind das zweitklassige Menschen? Kann man diesen Menschen vertrauen, kann man ihnen glauben?
„Zeit“-Herausgeber Joffe jedenfalls hat ein Glaubensproblem: Er parallelisiert Literatur wie Effie Briest und Madame Bovary mit dem „sündigen Sex“. Ohne zu merken, dass er dabei das „Fremdgehen“ thematisiert – was doch ein ganz anderes Thema ist als der Vorwurf einer brutalen Vergewaltigung.

Definition von Vergewaltigung:
Vergewaltigung ist nach "Duden Recht" die Nötigung zum Beischlaf oder zu ähnlichen sexuellen Handlungen, die das Opfer besonders erniedrigen, wobei diese mit Gewalt, durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder unter Ausnutzung einer Lage, in der das Opfer dem Täter schutzlos ausgeliefert ist, erfolgen kann[1]. Eine Vergewaltigung bedeutet eine massive Verletzung der Autonomie, des Rechts auf sexuelle Selbstbestimmung und der psychischen Integrität des Opfers und hat entsprechend gravierende psychische Folgen. Die juristische Bewertung ist je nach Land unterschiedlich. In Deutschland wird eine Mitschuld der betroffenen Person juristisch verneint.
Quelle: Wikipedia

1 Kommentar:

  1. sehr gut beobachtet und wiedergegeben! enttäuschend und billig von der Zeit

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